7. Oktober 2024
Heute morgen haben wir während zweier kurzer Regenpausen unser Zelt abgebaut und das Auto beladen. Danach fuhren wir rund 80 Kilometer westwärts, nach Diano Marina an der Blumenriviera in Ligurien. Wir waren schon ein paar mal hier und kennen die Küstenregion zwischen Genua und der französischen Grenze. Wir haben gestern Abend kurzerhand ein Appartement in der Ferienresidenz «Diano Sporting» gemietet, weil wir keine Lust hatten, im Zelt bei Regenwetter auszuharren. Wir geniessen jetzt die Annehmlichkeiten eines Appartements, eine vollausgestattete Küche, ein eigenes Bad und eine gedeckte Veranda sind nicht zu verachten. Unsere Campingsaison ist vorbei, es ist unwahrscheinlich, dass wir dieses Jahr noch einmal das Zelt aufstellen.
8. Oktober 2024
Für den heutigen Tag wurden Unwetter angekündigt und in Ligurien und anderen Regionen war deshalb schulfrei. Tatsächlich regnete es morgens eine Stunde lang wie aus Kübeln, dann stürmte es ein bisschen und das wars dann auch. Zwar blieb es den ganzen Tag trüb, dunkel und wolkenverhangen, aber Regen gab es keinen mehr. Natürlich erwächst den Schülern kein Nachteil fürs Leben, nur weil hin und wieder die Schule ausfällt. Wenn ich auf meine Schulzeit zurückblicke, bei solchem Wetter sind wir mit dem Velo die bsetzischteibewehrte Vordersteig hochgefahren, die sich locker mal in einen Sturzbach verwandelte, sind nass bis auf die Knochen zu Hause angekommen, haben zu Mittag gegessen und sind wieder in die Schule gefahren. In der Schweiz hat noch keine Unwetterwarnung dazu geführt, dass die Schulen schliessen, hier kommt erst der Berg runter und begräbt das Schulhaus unter sich, falls dann keine Notlösung greift, könnte vielleicht einmal der Unterricht in der betroffenen Gemeinde ausfallen, aber gleich im ganzen Kanton? Ne. Bei uns gibt es nur eine Instanz, die Schulen schliesst, das sind die Pharmafirmen und ihre Vasallen, errinnern wir uns? Das ist die Macht der Konzerne. Und diese müssen sich bei uns noch nicht einmal für ihr schändliches Tun im Rest der Welt verantworten, eine entsprechende Vorlage wurde vom Stimmvolk bachab geschickt, wegen übergeordneter Interessen, es sollte den Konzernen und der hiesigen Wirtschaft kein «Wettbewerbsnachteil» entstehen. Was ist schon ein Leben in der Dritten Welt wert? Das gefällt mir am Katholizismus, der Glaube an Himmel und Hölle. Der Glaube, dass miese Kreaturen, die nicht schon zu Lebzeiten zur Rechenschaft gezogen wurden, ihr Fett nach ihrem Ableben noch abbekommen.
9. Oktober 2024
Die meisten Wolken haben sich verzogen und wir liefen durch die Aussenquartiere von Diano Marina nach San Bartolomeo al Mare und weiter nach Cervo, eines dieser schönen Städtchen, die an einen Hang gebaut wurden, wie Gorbio oberhalb von Menton oder die bekannten Dörfer in der Cinque Terre.
Beim unserem Spazierganz bestätigte sich, was ich schon lange weiss, wenn es einen Ort gibt, an dem ich mir einen Zweitwohnsitz vorstellen könnte, falls ich ihn mir leisten könnte, er wäre hier, irgendwo zwischen Alassio und Imperia, am liebsten in Diano Marina.
Das liegt vor allem am ganzjährig milden Klima und den bis zu 300 Sonnentagen im Jahr. Die besondere Lage zwischen dem Meer und den bis zu 2000 Metern hohen Bergen schafft eine Art Wärmespeicher, oft ist es hier im Winter so warm wie auf Sizilien. Die strategische Lage zwischen Genua, San Remo und Ventimiglia und die Nähe zur Côte d’Azur in Frankreich und in die Seealpen sind reizvoll, ebenso das bergige Hinterland und der ligurische Höhenwanderweg (Alta Via dei Monti Ligure), der ist über 400 Kilometer lang und reicht bis zur Toskana, mit einzigartigen Aussichten von den Bergen auf das Meer. Für den Massentourismus ist an der schmalen Küste zu wenig Platz und der Jetset findet sich eher in mondänen Badeorten an der adriatischen Küste, in der Toskana oder der Côte d’Azur. Diano Marina ist eine beschauliche Stadt, bietet alle nötige Infrastruktur, die hübschee Innenstadt ist autofrei und die Küstenstrasse ist weniger dominant und befahren als anderswo, es ist ausreichend Platz zwischen dem Meer und dem gebirgigen Hinterland vorhanden, dass sich Diano Marino auf der Ebene dazwischen ausbreiten konnte.
Auf dem Rückweg von Cervo gingen wir der Küste entlang, von Westen wehte uns ein warmer Wind entgegen und ich hätte gerne meine Jeans gegen die kurzen Hosen getauscht. Kaum in Diano angekommen ging ein Wolkenbruch nieder, die Wettervorhersage entpuppte sich einmal mehr als moderne Variante der Quaksalber früherer Jahrmärkte. Wenn Sie wissen wollen, wie das Wetter ist, schauen Sie aus dem Fenster! Wenn Sie wissen wollen, wie das Wetter wird, raten Sie!
10. Oktober 2024
Das Schönste für uns, ist eine Wanderung zwischen dem Meer und den Bergen, dafür sind wir hier genau richtig. Das Sommerwetter zeigt sich wieder und wir steigen voller Elan in die Hänge auf, von Diano Marina nach Diano Castello, durch die vielen Olivenhaine und die hübschen Dörfer mit ihren gelben Fassaden und den allgegenwärtigen, grünen, ausstellbaren Fensterläden. Wenn dann noch die Wäsche vor den Fenstern zum Trocknen aufgehängt ist, sind alle Klischees erfüllt. Wenn es aussieht wie Italien und riecht wie Italien, dann ist es Italien, e basta!
Wir liefen ein schönes Stück auf der Krete eines Hanges, auf der einen Seite der Blick auf das Meer, auf der anderen Seite der Ausblick auf das hügelige Hinterland und die Berge. Die Wanderung führte uns über Oneglia runter zur Piazza Dante in Imperia. Es ist schön, an Orte zurückzukehren, die man schon einmal gesehen hat, wir setzen uns auf die Terrasse eines Restaurants und ich gebe meine auswendig gelernten Sätze zum Besten: «Hai un tavolo per due?», frag ich immer höflich, bevor wir uns setzen und wenn wir zahlen: «Possiamo pagare con la carta di credito?». Mamma mia!
Wir gehen zum Hafen und folgen dem Küstenweg zurück nach Diano, heftige Wellen brechen über den Felsen am Strand und die Gischt spritzt bis über die Balustrade. Früher war hier die Trasse der Eisenbahn, bevor sie weiter ins Hinterland versetzt wurde, heute bietet sie Fussgängern und Radfahrern einen wunderbaren Abschnitt fern von der Strasse, dem Meer entlang. Wir kennen den Weg, sind ihn schon mit den Kindern im Hochsommer entlang gelaufen, und wäre da auf dem Weg nicht der schattenspendende Tunnel, wir hätten alle einen Sonnenstich davongetragen.
Nach drei Kilometern ist plötzlich die Strasse verbarrikadiert, es gibt kein Durchkommen. Den Informationen an der Barrikade kann ich entnehmen, dass die Bauarbeiten seit Juni abgeschlossen sein sollten, sind sie aber offensichtlich nicht. Dieser Weg ist wirklich bekannt, und es wäre doch das Mindeste, die Leute die ihn begehen oder befahren, darauf hinzuweisen, oder nicht? Wir kehren um und kommen an zwei Carabinieri vorbei, die blöd rumstehen, ich frage mich, was die hier wohl treiben. Kurz darauf fahren noch einmal zwei Polizisten an uns vorbei und ich bin versucht, einem der uniformierten Goggel deutsch und deutlich zu erklären, er solle endlich seinen Arsch bewegen und dafür sorgen, dass da vorne im Hafen ein Schild aufgestellt wird, das auf die Strassensperrung hinweist. Didi kocht. Spielt Midnight Express in Liguria, wäre bereit gewesen, Zeter und Mordio zu schreien, dass man es noch in Kalabrien vernommen hätte! Dann fällt mir ein, Susanne ist ja auch noch da. Gut, dann lass ich es halt, ich habe nach unserem Urlaub alle Zeit der Welt, Behörden und andere komische Institutionen (KK’s und PK’s und wie sie sich alle nennen), auf Trab zu halten!
Wir arbeiten uns zur Küstenstrasse hoch, um dieser nach Diano Marina zu folgen, wie sollen wir sonst da hin kommen? Fliegen? Schwimmen? Was soll der Scheiss? Erleichtert stelle ich fest, dass es entlang der schmalen Küstenstrasse keinen Gehweg gibt. Sehr gut. Susanne will zurück nach Imperia, ich bestehe jedoch darauf, dass wir mitten auf der Strasse gemächlich in Richtung Diano zotteln und einen Stau verursachen, der bis nach Rom reicht. Kaum haben wir uns in Bewegung gesetzt, lacht uns eine Bushaltestelle an. Hinter einer grauen, vergilbten Plastikfolie klebt der Fahrplan, der wahrscheinlich nach dem Zweiten Weltkrieg dort angebracht wurde. Susanne studiert den Fahrplan und meint, wir könnten jetzt in aller Ruhe eine rauchen, in zehn Minuten käme ein Bus. Ich muss lachen, aber die Aussicht auf eine Zigarette gefällt mir. Wir kommen allerdings nicht dazu, den Tabak auszupacken, da hält plötzlich ein Bus. Der Bus ist nicht zu früh, das ist der vorhergehende, der zu spät dran ist. Der Chauffeur fragt nach Tickets und ich fordere Susanne auf, die Billette aus dem Portemonnaie zu kramen, das sich im Rucksack befindet, den ich auf dem Rücken trage. Sie fummelt rum, dabei fällt mein Handy runter und die Leute im Bus denken sich ihren Teil über die bekloppten Turisti, mir ist das in dem Moment sowas von egal. Susanne streckt dem Chauffeur die Tickets unter die Nase, die wir 2019, als wir das letzte Mal hier waren, gekauft hatten. Der Chauffeur nickt und fordert Susanne auf, die Tickets zu entwerten, das klappt ohne Weiteres. Ha! Fünf Jahre alte Tickets und sie sind gültig. Mach das mal in der Schweiz, da öffnet der Chauffeur noch nicht mal die Tür! Die Tickets wären heute viermal so teuer als anno 2019, Minimum.
Wir schlendern in Diano der Küste entlang und ich rege mich wieder ab. Am Strand sind viele Leute unterwegs, es wird gebadet, gesurft und dem sonnigen Wetter gehuldigt. Herrlich! Wir setzen uns im Städtchen auf die Terrasse eines Restaurants, sind fröhlich und entspannt. Auf dem Heimweg kaufen wir noch Wein für den Abend, der betäubt meine Fingerkuppen, wenn ich meine Ergüsse für diesen Blog verfasse!