Die ganze Nacht hindurch prasselte der Regen auf unser Zelt und für den heutigen Tag ist noch mehr Regen zu erwarten. Wir werden den letzten Tag vor unserer Weiterreise dazu nutzen, Kleider zu waschen, ein paar Einkäufe zu tätigen und uns auf die kommenden Tage vorzubereiten. Wir fahren morgen nach Saint-Béat-Lez, im Departement Haute-Garonne, nahe der Grenze zum Departement Hautes-Pyrénées, dem grössten touristischen Hotspot in den französischen Pyrenäen. Von Saint-Béat-Lez aus werden wir die Wahl haben, zwischen Wanderungen in den Hautes-Pyrénées westlich und den Pyrénées-Ariegoise östlich von unserem Standort. Wir verlassen damit die Pyrénées-Béarnaise und das Departement Pyrénées-Atlantiques, in dem wir uns seit dem 3. August aufhalten und einen wunderbaren Tag nach dem anderen erlebt haben!
Land und Leute: eine Einschätzung
Seit wir in Frankreich unterwegs sind und egal, wo es war, haben wir aufgeschlossene, freundliche und tolerante Menschen angetroffen. Die Franzosen und Französinnen stehen den «Grüezinis» aus meiner Heimat in nichts nach: «Monsieur-Dame, bonjour», «bonjour madame, «bonjour monsieur», «merci», «bonne journée», «au revoir», sei es beim Einkaufen, auf der Strasse oder beim Wandern. Leute die sich beim Vorbeigehen abwenden, Blickkontakt vermeiden und sich lieber auf die Zunge beissen als zu Grüssen, sind meistens hochaufgeschossen und ziemlich blond. Ich werde meine Vorurteile jetzt nicht weiter erläutern. Wissen Sie, was passiert, wenn der Meeresspiegel weiter steigt? Nein? Dann laufen in Deutschland plötzlich viele schlecht integrierte Niederländer herum!
Überrascht hat uns in Frankreich auch die Disziplin im Strassenverkehr. Auf Autobahnen wird konsequent rechts gefahren, die linke Fahrspur dient lediglich dem Überholvorgang, nicht so wie in der Schweiz. Vielleicht liegt das auch am Dichtestress auf unseren heimischen Strassen, wer weiss? Die Geschwindigkeitslimiten werden meistens penibel eingehalten, sei es auf der Autobahn, der Landstrasse oder innerorts. Ausserorts wird selten überholt, auch wenn der Vordermann nicht die maximal zulässige Geschwindigkeit erreicht. Wo ich zu Hause beinahe täglich als Fussgänger, Velo- oder Autofahrer haarsträubende Situationen erlebe, hier kaum. Wie haben die das geschafft? Gibt’s hier ein rigides Bussenregime? Die Radarüberwachung wird konsequent signalisiert und sorgt dafür, dass sich alle penibel an die Geschwindigkeitslimiten halten. Das dient der Verkehrssicherheit, – im Gegensatz zu den versteckten Blitzern, diese Abzocke ist nur dafür da, den übervollen Säckel des Staates weiter aufzublasen. Wenn auch unsere Behördenvertreter nicht müde werden, zu behaupten, die hinterhältige, versteckte Blitzerei diene der Verkehrssicherheit, sie lügen alle! Wozu sollten wir unsere Zeit verschwenden, mit Idioten zu diskutieren, die behaupten, die Erde sei flach und eine Scheibe?
Die Franzosen ärgern sich nicht so rasch oder regen sich gleich auf, z.B. wenn ein Automobilist im Kreisel stehen bleibt, weil er nach der richtigen Ausfahrt Ausschau hält oder eine im Laden in einer Ruhe mit dem Verkäufer flirtet, obwohl da noch einige anstehen. Der gute Wille anderen gegenüber kann dann auch eingefordert werden, wenn man selber mal in ein Fettnäpfchen tritt oder einen Fauxpas begeht. Leben und leben lassen! Ein bisschen mehr Toleranz und Rücksichtnahme würde den Menschen in meiner Heimat echt gut anstehen.
Nur einmal haben wir es in den vergangenen Wochen auf einem Zeltplatz in der Dordogne erlebt, dass ein Wohnmobilbesitzer mit vor der Brust verschränkten Armen grimmig in Richtung einer Schar Camper blickte, die ein Barbecue veranstalteten, und der Wind dabei den Rauch des Feuers in Richtung des Wohnmobilheiligtums blies. Ein Blick aufs Kontrollschild und wir stellten fest, es war ein Landsmann, Kanton Luzern. Bleib doch zu Hause, Dummbalz! Don’t fill up the air with your negativity, stupid!
Vive la France! Ein wunderschönes Land, ein angenehmes Klima, hervorragende Infrastruktur und liebenswürdige Menschen! Wir fühlen uns wohl und geborgen.